Freiheits- Einheitsdenkmal
Freedom and Unity Memorial Competition, Berlin
Berlin, DE
2007-2008
Die Deutsche Gesellschaft e. V.
Inhaltliches Konzept und Aussage
Der vorgelegte Entwurf versucht, ausgehend von der Würdigung der friedlichen Revolution vom November 1989 und der daraus resultierenden Widervereinigung Deutschlands, einen Bogen zu spannen, der die Kontinuität und das aufeinander aufbauen der zahlreichen einschneidenden Ereignisse des 19. und 20. Jahrhunderts nachzeichnet und für jeden Einzelnen sinnlich erfahrbar macht. Die Lösung vereint in sich ein Verständnis und gefühlsmäßige Erschließung des Themas, die Besucher und Bürger zu einer persönlichen Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Wesen von Einheit und Freiheit „verführt“. Anders als das ursprüngliche Kaiser-Wilhelm-Denkmal operiert dieser Entwurf weit jenseits heroischer Gesten und Allegorien, welche letztendlich in Ihrer Unnahbarkeit nur eine autoritäre Wirkung erzielen können. Die Preußischen und Bismarck’schen Leistungen unbenommen, entwickelt der Entwurf ein Wechselspiel zwischen zentristischer und pluralistischer Einheitsvorstellung auf Augenhöhe mit den Bürgern. Der Betrachter, oder treffender „Beschreiter“, „verwickelt“ sich buchstäblich in das Denkmal und wird so zum integralen Bestandteil seiner Aussage und Wirkung: im gleichen Masse wie die Distanz zwischen Denkmal und Adressat schwindet, wird sich der Besucher zunehmend seiner eigenen, tiefgreifenden Sensibilität und Wertschatzung gegenüber der Botschaft des Denkmals bewusst – der Kraft und Bedeutung des Zustands von Freiheit und Einheit für das eigene Leben und Wohlbefinden und damit für ein demokratisches Gemeinwesen als Ganzem. Aus einem Prozess der Selbstreflektion entsteht noch während des Denkmalbesuchs eine emotionale Resonanz zwischen der eigenen persönlichen Haltung und den Schicksalen der streitbaren Bürger und Revolutionäre der Vergangenheit, die uns durch ihre Überzeugung und ihren Einsatz ein selbstbestimmtes Leben in Einheit und Freiheit erst ermöglicht haben. Ohne belehrende oder gar dogmatische Allüren formt das Zwiegespräch zwischen Denkmal und Bürger ein belebbares, lebendiges und letztendlich lebendes Symbol, das in jedem von uns ein Gefühl der Teilhabe, Befreiung, und Begeisterung, aber auch der persönlichen Verpflichtung hinterlässt – ein Bürgerdenkmal im besten Sinne des Wortes.
Künstlerisches Konzept und Wirkung
Der Entwurf erzielt seine Wirkung und Ausdruckskraft aus einer Balance von Abstraktion und unmittelbarer Erfahrbarkeit. Aus einer einfachen aber großzügigen und eindrücklichen Geste entwickelt sich eine Skulptur, die gleichzeitig Architektur und Landschaft ist. Auf der Grundlage des ursprünglichen Fundaments von 1897 entfaltet sich eine dreidimensionale Erzählung über mehrere Ebenen – Einer Basis, einer Mitte und einem Oben. Diese Ebenen, oder Schichten, sind in einer subtilen inhaltlichen Dramaturgie miteinander verwoben, die dreierlei bewirkt: Sie öffnet Herz und Verstand der Besucher für die angebotenen Inhalte und Erfahrungen, sie vermittelt die Beziehung von Geschichte und Gegenwart und sie führt uns zu einem gemeinschaftlichen Gefühl des Seins und der Freude an den Errungenschaften von Einheit und Freiheit. Durch die bauliche Transparenz kann das Denkmalerlebnis jederzeit individuell variiert werden ohne dabei an Intensität zu verlieren. Die Skulptur kann so wiederholt und aus immer neuen Perspektiven befragt und erlebt werden. Der Geste folgend, bewegt man sich hinein unter die weit auskragende Scheibe und erlebt sukzessive eine Verdichtung des Raumes. Diese und andere künstlerische Maßnahmen in diesem Bereich führen zu einem subtilen aber merklichen Empfinden von „Einengung“ und damit einer erhöhten persönlichen Sensibilisierung für die im Inneren des Fundaments ausgestellten historischen Ablaufen, Biographien und Artefakte. Von dort nimmt man seine Eindrücken hinauf auf die Oberseite der Scheibe und folgt Schritt für Schritt und unter eigener Anstrengung dem historischen Verlauf der Deutschen Einheitsbewegung bis zu den befreienden Ereignissen des November 1989. In der persönlichen Anteilnahme an einer großen Geste findet man sich wieder inmitten anderer „Mit- und Weltenbürger im Geiste“ und genießt im Bewusstsein gemeinsamer Werte die Großzügigkeit der Skulptur und die zahllosen Ausblicke auf die einheits- und freiheitsrelevanten Baudenkmäler im Umkreis – nicht zuletzt das Deutsche Parlament.
Ausführung und bauliche Maßnahmen
Der Entwurf greift die Dimensionen des ursprünglichen Denkmals weitestgehend auf und erreicht am südöstlichen Ende des Areals eine max. Höhe von ca. 21m. Die neuen oder rekonstruierten baulichen Strukturen bestehen in erster Linie aus den dauerhaften Materialien Stahl, Glass, Beton, und Keramik. Die Oberfläche der Scheibe wird als rutschfeste Struktur ausgeführt, die gleichzeitig die Benutzung von Roller-Blades, Skateboards, u.a. weitestgehend einschränkt. Die historische Oberfläche des Fundaments wird größtenteils weiterverwendet und dazu gesäubert und ausgebessert. Im Bereich der Nordkante wird das Fundament auf einer Fläche von ca. 25m × 10m freigelegt und als Ausstellungsbereich ausgestaltet. Die Dramatik des gemauerten Gewölbes wird dabei gezielt zum Einsatz gebracht. Der ehemalige Sockel des Reiterstandbilds wird „als Schatten“ und daher überwiegend aus Glas schematisch rekonstruiert. Er trägt den Hauptteil des Gewichts der aufstrebenden Stahlscheibe. Die Stahlscheibe ist auf ihrer Unterseite mit dokumentarischen Textelementen versehen. Falls ökonomisch sinnvoll, kann die Stahlscheibe als großflächiger Sonnenkollektor ausgebildet werden, um beispielsweise das Wärme- und Kühlsystem des benachbarten Humboldt-Forums zu unterstützen.
Concept Statement
Beginning with the peaceful revolution of November 1989 and the resulting reunification of Germany, the proposal seeks to identify a continuous link retracing the many extreme events of the 19th & 20th centuries, thus personalizing the experience for each individual. The project offers a rational & emotional understanding of this history for visitors and citizens alike, to be reframed through the lens of visitors via their own personal encounters with the meanings of unity and freedom.
Unlike the original Kaiser Wilhelm Memorial, this proposal operates well beyond the heroic gestures and allegories of the former memorial’s authoritarian aloofness. Liberated from Prussian and Bismarckian diplomatic accomplishments, this scheme develops an interplay between centrist and pluralist images of unity at eye-level with a unified Germany’s citizens. The citizen, or adjudicant, is literally incorporated into the monument and becomes an integral element of its experience: in the same way as the distance between monument and citizen fades, the visitor is lead to an increasing awareness of their role in the new monument’s function as an embassy, with the power and significance of the freedom and unity to their own lives extending to the broader polity as a whole. From a process of self-reflection, an emotional resonance originates with a visit to this monument, between one’s own experiences and that of the citizens and revolutionaries of the past, which have enabled us by their convictions and dedication to an independent life in unity and freedom. Without conventional or pedantic means, the dialog between monument and citizen is animated as an ultimately living symbol that inspires a liberating, enthusiastic sense of participation, though with a personal obligation as well – a citizens’ monument in the best sense of the term.
The proposal accomplishes these ambitions through a balance between abstraction and immediate experience. From a bold, simple gesture, the sculpture functions as both an architectural (spatial) and landscape (contextual) event. Using the archetypes of a base, middle and top, the original 1897 foundation supports a three-dimensional story unfolding on several levels. These levels or layers are interwoven together into a subtle thematic drama: through an emotional play offered in the views back to Berlin, through its direct links between past and present in surface markings and the archive, and through an idealised future imbued with the values of unity and freedom. The original sculpture can be recalled, and from ever newer perspectives be re-questioned and re-experienced. As one possible journey, one moves in under the far, overhanging plane toward a successively compressed space. This phenomenon of constriction sensitizes the visitor as they descend into the foundation which has been reworked to contain relevant, topical historical biographies and artifacts. From there, one takes this new knowledge to the upper side of the large arching plane, following step-by-step under their own effort a course paralleled by the process of German unification culminating in the events of November 1989. As the spaces shift from the city at large to the entrance sequence into the foundation back out onto the top surface, the visitor is once again found in the midst of other co-citizens and world-citizens in spirit. It is from this new vantage atop the sculpture, a newly charged mental image is paired with the vista of the city, in particular the view of the new German parliament nearby.
Means and Methods
The proposed figure takes up the dimensions of the original monument as much as possible and reaches at the southeast end to the maximum height of 21m. The new and reconstructed elements are primarily imagined clad in such durable materials as glass, concrete and ceramic. The surface of the proposed arching plane is a slip-resistant material, and includes a number of measures to give priority to pedestrian visitors. The historical surfaces of the foundation would be restored to its 1897 state, drawing from Germany’s extensively skilled craftspeople. A 25m × 10m portion of the northern edge of the foundation is exposed, serving as an exhibition space. Employing the stone vaults of the foundation’s interior as part of this exhibition space further builds on the drama and history of this space. The former base of the equestrian statue is reconstructed in a ceramic-frit glass, enclosing an archive of books and artifacts. This glass volume carries the main part of the weight of the new, inclined plane. The plane itself is a light-weight steel box pan construction perforated with an array of solid glass cylinders. The illuminated underside subsequently reveals a series of historical texts inscribed into the soffit, and these serve as part of the entry sequence into the archive itself. Should it be economically feasible, the plane would also incorporate solar collection technologies to be both self-sustaining and potentially augment the power requirements of the neighbouring Berlin Palace-Humboldt Forum.
In collaboration with Bernhard Dietz